Interview mit Till Wald, Geschäftsführer der Enter Art Foundation, im Atelier von Andrea Wallgren.
Andrea Wallgren ist Malerin, hat Ihr Atelier in den Gerichtshöfen (Berlin). Sie ist in Santiago de Chile geboren und mit 22 Jahren nach Deutschland gekommen. Ihre Arbeiten sind meist großformatig und farbenfroh.
Till Wald: Ich sehe keine Leinwand. Du arbeitest ausschließlich auf Holz?
Andrea Wallgren: Ja! Vor vielen Jahren, als ich noch Kunst studiert habe, bin ich in die Dreidimensionalität gegangen. Damals habe ich u.a. Holzskulpturen gemacht. Das war der Anfang. Holz ist warm, Holz arbeitet, Holz ist lebendig. Das Malen auf dem Träger Holz ist anders als auf einer Leinwand. Der Wiederstand des Holzes ist härter, es gibt nicht nach. Es war ein langer Experimentierweg, der mich zu diesem Malträger geführt hat. Ich bin überzeugt, dass das Ausprobieren, das neu Versuchen, das Experimentieren, diese langjährige Erfahrung in die Arbeiten einfließt und zum heutigen Resultat beitragen.
TW: Fertigst Du die Malträger selbst?
AW: Ja! Vom Kauf der Holzpaneele, der Leisten, des Klebers bis hin zur Verarbeitung, das Sägen und Grundieren. Rückblicken würde ich sagen, hätte ich doch mit einer Schreinerlehre starten sollen… Da wären mir vielleicht einige Fehlversuche erspart geblieben… so ist es „learning by doing“ geworden.
TW: Das sind ja einzelne Paneele-Platten!
AW: Ja, das stimmt! Es sind meistens mehrere Paneele die aneinander gestellt ein Bild ergeben. Diese Vorgehensweise gibt mir auf der einen Seite die Freiheit während des Malprozesses das Endformat zu beeinflussen und auf der anderen Seite eine Vielzahl an Möglichkeiten bis das Endformat fest definiere. Dennoch, ich bestimme die Fläche, das Format. Mal muss ein Paneel wieder raus, mal werden ein/zwei/drei… dazugestellt. Das Ergebnis ist immer EIN Bild! Ja, man sieht die Schnitte (Kanten), welche dem Gesamtwerk jedoch keine Ablenkung bieten. Die Schnitte (Kanten) haben keine weitere Funktion, jedoch für mich ist diese Flexibilität des Endformats essenziell bei der Erstellung des Bildes.
Und nicht zu unterschätzen, für den Transport viel einfacher und unkomplizierter!
TW: Könnte ich denn die einzelnen Paneele auch mit Abstand hängen?
AW: Nein! Das ist nicht meine Absicht. Du schneidest nicht eine Leinwand auseinander und hängst sie mit Abstand auf… Nein, es ist EIN BILD!
TW: Was ist dein Thema in der Malerei?
AW: Farbe-Mensch sind seit Jahren meine Begleiter! Sei es dreidimensional oder flächig. Wo stehen wir? Wie stehen wir zueinander? Wie stehen wir im Raum zueinander? Es sind Figuren, Gestalten die in Bewegung sind, sich im Geflecht zwischen Raum, Natur, Hintergrund bewegen, mal erscheinen, mal in den Hintergrund treten. Wie sind Beziehungen? Gesellschaften? Gruppen? Mal verlaufen sie, mal erscheinen sie, mal groß, mal klein, mal ausweichend, mal vorübergehend. Im unteren Drittel des Bildes läuft die Farbe aus, ohne Formen – es ist nicht vollendet, bleibt dem Zufall überlassen, erzählt die Entstehung, den Aufbau des Bildes. Der Verlauf bleibt offen, im Skizzenhaften, als ob es unendlich weitergehen könnte. Die “Auslaufzone” bleibt angedeutet, sie ist wie eine Pause für das Auge.
TW: Beim genauen betrachten Deiner Bilder, sehe ich sich wiederholende Motive?
AW: Das stimmt! Es ist der Fahrradfahrer, der Surfer und der Hund an der Leine. Der Fahrradfahrer steht für Geschwindigkeit, der Surfer, der oft zum Fischträger wird, sowie der Hund stehen als Verbindung, zum Einen in die Tierwelt, zum Anderen, als Elemente unterschiedlicher Realitäten.
TW: Arbeitest du ausschließlich mit Ölfarben?
AW: Jain! Öl ist das Hauptmalmittel. Dennoch verwende ich unterschiedliche Malmittel wie Bleistift, Kreide, Beize, Bitumen, etc. Alle Mittel sind willkommen!
TW: Wie bist du zur Kunst gekommen?
AW: Ohh, das war kein gerader Weg… Es hat einige Jahre gebraucht, inklusive vieler Umwege, bis ich den Mut hatte, diesen Weg einzuschlagen, zu äußern, zu zeigen, mich darauf einzulassen. Erst zaghaft dann entschlossen und ernsthaft mich an die Kunst heranzutasten. Die ersten Schritte gingen über Graphikdesign in Chile um dann in Deutschland endgültig zur Malerei zu kommen. In Bonn und Mannheim habe ich Kunst studiert.
TW: Es ist Sommer und Corona hält uns im Griff. Andrea, wie gehst du damit um?
AW: Tja, das ist schon eine sehr besondere Zeit. Ich muss gestehen, dass ich mich zu Anfang sehr verloren vorkam, fühlte mich leer, hatte nichts zu sagen! Ich gehöre zu den Glücklichen, die in der gesamten Zeit immer ins Atelier durfte. Dieses habe ich auch getan, dennoch empfand ich es schwierig eine Sprache, einen Weg zu finden. Meine laufenden Ausstellungen musste ich abbauen. Irgendwie war es still geworden.
TW: Konntest Du kreativ sein?
AW: Schwierig! Dennoch habe ich den Eindruck, dass mein Ausdruck sich verändert. Ich bin gespannt, welche Auswirkung Corona auf die Kunst haben wird! Krisen können auch was Positives haben! Krisen sind eine Chance!